Blockhalden im Fichtelgebirge
Vorkommen: Außerhalb der Alpen sind natürliche Blockhalden auf die Mittelgebirge begrenzt. Sie stellen hier besondere Lebensräume dar, die häufig stark isoliert sind und enge Arealgrenzen besitzen. Als Rückzugszonen für eine spezialisierte Tier- und Pflanzenwelt kann man sie gewissermaßen als die letzten Urhabitate unserer Heimat bezeichnen.
Eindrucksvolle Blockhalden finden wir in der Rhön oder im Harz, aber auch das Fichtelgebirge weist eine ganze Reihe solcher Sonderstandorte auf, so zum Beispiel auf dem Schneeberg, dem Ochsenkopf und der Platte.
Entstehung: Während die ältesten Gesteine des Fichtelgebirges vor rund 800 Millionen Jahren entstanden sein dürften, sind die heutigen Granite unseres Hufeisens ca. 300 Millionen Jahre alt. Seit der damaligen Gebirgsbildung war die Gegend praktisch immerzu Festland, die entstandenen Felsformationen unterliegen seitdem einer massiven Verwitterung.
Zeugen solcher Erosionsvorgänge sind die Blockhalden, die während des Pleistozäns (Beginn vor ca. 2,5 Millionen Jahre) entstanden sind. Das Pleistozän war geprägt durch einen ständigen Wechsel zwischen Warm - und Eiszeiten und so spielten Frostverwitterungen und durch Bodenfrost erzeugte Verwitterungsverläufe die entscheidende Rolle bei der Entstehung der Blockhalden. Wichtig war dabei auch das Vorhandensein hoher, freigestellter Felsköpfe, die als „Nährfelsen“ bei den Frostsprengungen das Gesteinsmaterial bereitstellten und dabei gänzlich abgetragen wurden. Als Ergebnis dieser Frostverwitterung finden wir somit die für unsere Landschaft typischen Halden.
Blockhalden zeigen ein Reihe von Eigenschaften, deren Zusammenwirken sie zu einem besonderen Lebensraum machen:
1. Es handelt sich fast immer um eine Ansammlung recht großer Steinblöcke in steiler Hanglage. Feinmaterial wie Sand oder Kies fehlt fast völlig, Bodensubstrat ist zumindest im zentralen Bereich der Halde Mangelware. Daraus erklärt sich auch das Fehlen höherer Pflanzen in dieser Zone.
In touristisch ambitionierten Gebieten werden solche Halden auch gerne als „Blockmeere“ bezeichnet. Der Unterschied zur Geröllhalde ist vor allem im Fehlen des Fein- und Feinstsubstrates zu sehen.
Am Haldenrand dagegen sammelt sich allmählich Feinerde und höhere Pflanzen wie z.B. Zwergsträucher können Fuß fassen.
2. Auf der Blockhaldenoberfläche herrschen Bedingungen, die durchaus mit stark exponierten Felsflächen zu vergleichen sind. Trockenheit, Hitze aber auch extreme Kälte bestimmen das Mikroklima in diesem Bereich.
3. Am Fuße der Blockhalde treten im Sommer bedingt durch eine besondere Luftzirkulation im Haldeninneren, sogenannte Kaltluftströme aus, die eine hohe Luftfeuchte mit sich führen und extrem kühle Bedingungen schaffen. In manchen Bereichen werden sogar Verhältnisse erreicht, die ansonsten nur bei Permafrostböden auftreten.
Dagegen werden im Winter kalte Luftmassen am Haldenfuß in die Halde verfrachtet, erwärmen sich und verlassen im oberen Bereich die Halde. Sie erzeugen dort ein entsprechend milderes Mikroklima.
4. Im Haldeninneren sind dagegen die Temperaturen ganzjährig ziemlich ausgeglichen und bewirken höhlenähnliche Verhältnisse. Die Spaltensysteme mildern starke Temperaturschwankungen und sorgen weiträumig für einen frostfreien Lebensraum.
Fauna und Flora der Blockhalden: Die Blockhalden sind seit ca. zehntausend Jahren als Lebensraum wenig vom Menschen beeinflusst und werden deswegen zu Recht als „Urhabitate“ bezeichnet.
Es verwundert also nicht, dass man hier Pflanzen und Tiere findet, die andernorts keine Überlebenschancen besitzen. Hier sind wegen der Entstehungsgeschichte der Halden vor allem Arten zu nennen, die ihren Verbreitungsschwerpunkt in alpinen und polaren Zonen haben. Sie haben unter den besonderen mikroklimatischen Bedingungen der Halden ein letztes Refugium gefunden, man kann viele von ihnen als „Eiszeitrelikte“ bezeichnen.
Vor allem die Verhältnisse am Kaltluftaustritt im Bereich des Haldenfußes schaffen extreme und sehr seltene Lebensräume. Hier sind Farnpflanzen, Lebermoose und sogar Torfmoose anzutreffen.
Wichtig ist auch die Tatsache, dass sich im Zentrum der Haldengebiete kaum Substrat bildet, entstehende Feinerde wird meist schnell durch Wind und Regen beseitigt. Höhere Pflanzen und Bäume sind deshalb auf den Haldenrand beschränkt. Die Kernzone bleibt die Domäne seltener und charakteristischer Moose und Flechten, wie zum Beispiel der Landkartenflechte. Auf solchen Flechtenteppichen findet man felsbewohnende Springspinnen wie Sitticus pubescens, in den Randbereichen kann man mit etwas Glück die winzige und seltene Springspinne Sitticus saxicola) entdecken.
Am Rand der Halden, wo bereits etwas Feinmaterial ansteht und auch immer wieder kleinere Steinbrocken übereinander liegen, wurde in den 1990 er Jahren die Sackspinne Clubiona alpicola neu für Deutschland nachgewiesen. Die Spinne, die tagsüber in einem Gespinnstsäckchen ruht, war bis dahin nur aus hochalpinen Zonen bekannt.
Neben seltenen Laufkäferarten spielen die Haldenbereiche im Fichtelgebirge auch eine wichtige Rolle für das Auerwild als Balz – und Fortpflanzungsareal.
Mit Acanthalycosa sudetica besiedelt eine große Wolfspinnenart in nicht geringer Anzahl die Felsblöcke. Bei der geringsten Störung verschwindet die scheue Art in den Nischen zwischen den Blöcken. Auch beim Sonnenbad ist sie wegen ihrer hervorragenden Tarnfärbung schwer auszumachen.
Bedeutung der Halden: Allein die Tatsache, dass es sich bei den Blockhalden um seit Jahrtausenden fast unbeeinflusste Habitate handelt, die auch nur in wenigen Regionen vorhanden sind, zeigt die überregionale Bedeutung dieser Lebensräume und die unbedingte und vorrangige Verantwortung, die wir für diese Ausnahmelebensräume haben.