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Fauna+Flora des Fichtelgebirges

Waldbegehung mit Dr. Johannes Lüers

Extreme Stürme, Unwetter, Trockenheit
„Der Klimawandel ist da“

Im Rahmen einer dreistündigen Begehung am Waldstein informierte Dr. Johannes Lüers von der Universität Bayreuth über die neuesten Forschungsergebnisse zum Klimawandel im Fichtelgebirge. Die Veranstaltung des Bundes Naturschutz stieß auf eine überwältigende Resonanz. Fred Terporten-Löhner, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Wunsiedel, konnte rund 100 Teilnehmer, darunter auch etliche Waldbesitzer, zu dem „hochaktuellen Thema“ willkommen heißen.

Es war fast wie in den 1980er Jahren, als das Thema Waldsterben die Menschen im Fichtelgebirge bewegte und immer wieder große Waldführungen stattfanden. Eine große Exkursionsgruppe setzte sich vom Wanderparkplatz an der Sparnecker Straße zur Luftmessstation am ehemaligen Pflanzgarten am kleinen Waldstein in Bewegung.

Dr. Johannes Lüers vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (BayCEER) zeigte anhand von Schautafeln die Entwicklung der Temperaturen, Niederschläge und Luftschadstoffe sowie die aktuellen Forschungsergebnisse auf. Der kompetente Wissenschaftler fand dabei klare Worte: „Die globale Klimaerwärmung zeigt sich auch im Fichtelgebirge deutlich. Der Klimawandel ist da, das steht zweifelsfrei fest“. Sehr ausführlich legt Dr. Lüers dar, dass Klimawandel keineswegs nur globale Erwärmung bedeute, sondern auch die Veränderung des Wetters, insbesondere des Niederschlagsregimes. „Besorgniserregend sind die erheblichen Niederschlagsverluste im Fichtelgebirge in den Frühjahrsmonaten April und Mai.“ Die Pflanzen leiden unter Trockenstress. Das sei äußerst problematisch für die Land- und Forstwirtschaft. Stabile Wetterlagen wie längeres Hochdruckwetter im Sommer werde es in Zukunft nicht mehr geben. „Das Wetter wird unbeständiger, unberechenbarer und extremer“, prognostizierte Dr. Lüers. Der zunehmende Treibhauseffekt führe zu einer Zunahme der Dynamik im Wettergeschehen. Extremjahre wie 2003 würden in 20 Jahren zur Normalität werden. Das heiß im Klartext: Hitzeperioden, Kälteeinbrüche, unwetterartige Starkschneeereignisse, extreme Starkregen und heftige Stürme. Diese Wetterextreme können, so Dr. Lüers, katastrophale Auswirkungen auf die Land und Forstwirtschaft haben. Durch die zunehmenden Unwetter und Stürme seien die Fichtenwälder im Fichtelgebirge akut gefährdet. Dr. Lüers: „Die Fichte ist ein Flachwurzler. Zudem sind die Waldböden im Winter nicht mehr gefroren wie früher. Wenn Stürme wie der Kyrill dann tagelang an den Bäumen rütteln, dann fallen die Fichten.“

Der Schlüssel, diesen Problemen zu begegnen, heiße Biodiversität, verdeutlichte der Klimaforscher. „Je vielseitiger ein Ökosystem ist, desto stabiler ist es“, so Dr. Lüers. Ein Mischwald ist robuster und stabiler gegen Klimaschwankungen als die Fichtenmonokultur. Fred Terporten-Löhner ergänzte, dass der natürliche Wald in dieser Höhe ein Bergmischwald bestehend aus Buche, Bergahorn, Tanne und Fichte sei. So pflanzen die Bayerischen Staatsforsten verstärkt die Buche, je nach Standort ergänzt durch Bergahorn und Erle. Auch für die Landwirtschaft sei der Klimawandel eine erhebliche Herausforderung. Neue, an das zukünftige Klima angepasste Nutzpflanzen müssten erforscht und eingesetzt werden.

„Diese Veränderungen sind eindeutig und nicht mehr aufzuhalten“, warnte der Experte. Mehrfach bemühte Dr. Lüers in seinen Ausführungen das Bild vom fahrenden Zug. „Der schwere Zug des Klimawandels ist in Bewegung. Der Bremsweg ist extrem lang. Und wir haben noch nicht einmal das Bremspedal gefunden,“ kritisierte der Experte die zögerliche Umsetzung von Klimaschutz-zielen durch die Regierungen der Staaten.

Erfreulicherweise seien die Luftschadstoffe deutlich zurückgegangen, wusste Dr. Lüers zu berichten. Das schlimmste Problem sei natürlich die extreme Schwefeldioxid-Belastung in den 1970er und 1980er Jahren gewesen. „Wenn diese Schwefeleinträge noch 10 Jahre lang angedauert hätten, wäre es das Aus für die Wälder im Fichtelgebirge gewesen“, stellte Dr. Lüers fest. Kritisch sei nach wie vor die Ozonproblematik, allerdings würden die Spitzenwerte jetzt nicht mehr im Sommer auftreten, sondern im April und Mai.

Der nächste Exkursionspunkt der dreistündigen Begehung war eine Forschungsstation der Universität Bayreuth in einem 120 jährigen Fichtenbestand. Dort gehe man der Frage nach, welche Rolle der Wald im Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf spiele. Interessant für viele Teilnehmer war die Information, dass nicht jeder Wald eine CO2–Senke sei, d.h. in der Bilanz mehr CO2 aufnehme als abgebe.

Der Schlusspunkt wurde schließlich an der Hauptstation der Universität Bayreuth an einem 32 Meter hohen Forschungsturm gesetzt. Dort wird in komplexen Messreihen der Luftaustausch des Ökosystems Wald mit der Atmosphäre erforscht.