Klimawandel, eine gewaltige Herausforderung
Der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz Fred Terporten-Löhner freute sich über ein „volles Haus“ und hieß neben dem Thiersheimer Bürgermeister Bernd Hofmannn die Vertreter der Behörden und Verbände Karl Fischer, Ferdinand Reb, Harald Fischer, Heinrich Henniger, Jörg Hacker und Ronnie Ledermüller herzlich willkommen.
In seiner Einführung („Was für ein Thema, was für eine Herausforderung“) spannte Fred Terporten-Löhner den Bogen vom Klimawandel zur Flüchtlingskrise. „Es wird Millionen von Klimaflüchtlingen geben, wenn wir nicht entschieden handeln.“
Dann hatte Dr. Johannes Lüers das Wort. Der Wissenschaftler der Abteilung Klimatologie, Meteorologie und Umwelt der Universität Bayreuth forscht bereits seit 25 Jahren über den Klimawandel. In seinem fachlich-fundierten und engagierten Vortrag skizzierte der Wissenschaftler am Beispiel Frankens den bereits stattgefundenen und für die kommenden Jahrzehnte erwarteten Klimawandel und dessen Folgen für Mensch und Natur. Das Ergebnis ist glasklar: Wir brauchen nicht darüber diskutieren, ob und wann der Klimawandel kommt. Wir sind bereits mitten darin. Hauptursache ist das von uns Menschen produzierte Kohlendioxid durch Verbrennung fossiler Energieträger (aktuell 400 ppm).
Es wird immer wärmer, auch in franken
Das Jahr 2014 ist weltweit das wärmste Jahr seit Jahrhunderten gewesen. Der Winter 2015/2016 ist im Begriff, der wärmste Winter aller Zeiten zu werden. Jeder Monat wird immer wärmer. Alle 10 Jahre steigt die Temperatur um 0,4° Celsius. Lüers verdeutlichte, dass Klimaprozesse träge verlaufen. „Was wir heute verursachen, wird sich erst in 20, 30 oder 50 Jahren auswirken.“ Das Jahresmittel wird um mehr als zwei Grad zunehmen. Wir bekommen in Franken Temperaturen wie in Rom.
Anhand von Tabellen und Zahlen zeigte Dr. Lüers die Trends auf: Trockener Frühling, unterbrochen durch heftige Starkregen, Zunahme der Extremausschläge. Das Wetter wird unvorhersehbarer, unberechenbarer. Die Rhythmen stabiler Wetterlagen wie der Altweibersommer gehen verloren. Da sich mehr Wärme und Energie in der Atmosphäre befinden, können Unwetter urplötzlich auftreten. Die Tiefdruckgebiete sind größer geworden, können sich über ganz Europa erstrecken. Seit etwa 15 Jahren kommen die schlimmsten Regenfälle durch stationäre Tiefs von Südosten, nehmen feuchte Luft über dem Mittelmeer auf.
Im Bamberger Raum kann der Jahresniederschlag auf 400 Millimeter absinken, das ist Trockensavanne.
Folgen für die Wasserwirtschaft
Die Folgen für die Wasserwirtschaft sind tiefgreifend: Längere Trockenzeiten, kurze und heftige Niederschlagsereignisse, erhöhte Verdunstungsraten, Trockenstress der Pflanzen, erhöhter Oberflächenabfluss (Hochwasser, Erosion, Zerstörung von Infrastuktur), geringe Grundwasserneubildung, geringerer Trinkwasservorrat und schlechtere Wasserqualität.
„Ein Umbau unserer Infrastruktur tut Not“, forderte Dr. Johannes Lüers. Trotz abnehmender Bevölkerung wird der Wasserverbrauch steigen (mehr Verdunstung, mehr Wasser für Bewässerung). Notwendig sei die Regenwasserrückhaltung und die Bereitstellung von Wasserreserven und Bewässerungssysteme für Städte, Land- und Forstwirtschaft und Gartenbau. Natürlich Anbau klimaangepasster Arten. In den Auen müssten in großem Umfang Retentionsflächen geschaffen werden. Lüers wies auf die extreme Wasserknappheit des Rheins im vergangenen Sommer hin, eine wesentliche Ursache sei das Abschmelzen der Gletscher.
Der Experte skizzierte die gravierenden Folgen des Klimawandels in Europa:
Abschmelzen aller Gletscher,
Verlust von 60 Prozent der Spezies bis 2080,
Auftauen des Permafrostbodens mit erheblicher Methan- und CO2-Freisetzung,
extreme Zunahme von Hitzestress.
Das klang durchaus schon apokalyptisch.
Politik muss handeln
Dr Lüers forderte die Politik auf, rasch zu handeln, nicht erst in Jahrzehnten. Die Zeitspanne von wissenschaftlicher Erkenntnis und politischem Handeln müsse deutlich verkürzt werden. Notwendig sei: Energiegewinnung aus regenerativen Quellen,
Kraft-Wärme-Kopplung, dezentrale Energiegewinnung,
Neuorientierung unseres Bildungssystems,
dezentrale und nachhaltige Nahversorgung und vieles mehr.
Anregende Diskussion
Zahlreiche Teilnehmer stellten Fragen zum Klima, die Dr. Luers kompetent zu beantworten wusste. Karl Paulus fragte nach, ob dies nun „Winter ade“ oder der „Verlust einer Jahreszeit“ bedeuten wird. Die klare Antwort. Die Winter werden milder, atlantischer. Stabile Wetterlagen mit reichlich Schnee - Winterzauber schlechthin - das wird künftig die Ausnahme sein. Ein ausführliches Statement gab Heinz Wunderlich ab. Die Politik sollte
nicht permanent über Bevölkerungsverluste klagen.
Stattdessen sollten wir stolz sein, in einer „klimaprivilegierten Region“ zu leben.
Denn im Fichtelgebirge werden die Folgen des Klimawandels moderater ausfallen, als in vielen anderen Regionen. Nach zweieinhalb Stunden beendete Fred Terporten-Löhner den sehr informativen und aufrüttelnden Klima-Abend und dankte Dr. Luers herzlich für den hochwertigen Vortrag.
Auswirkungen auf Flora und Fauna
Der Klimawandel hat auch einen Wandel der Biodiversität zur Folge. Organismen, die auf niedrige Temperaturen angewiesen sind, werden aussterben. Wärmeliebende Arten werden immer mehr zuwandern. Im Fichtelgebirge bedroht sind Arten der Moore und die „Urhabitate“ der Granitblockhalden auf dem Schneeberg (Jahresmittel 3,7 Grad). Es handelt sich um Relikte der letzten Eiszeit (seltene Spinnen, Moose, Flechten, Ringdrossel etc.).
Erhebliche Auswirkungen auf Avifauna:
Bereits im Januar/Februar singen Kohlmeisen und Grünfinken, Massenansammlung von Wacholderdrosseln am Schlößlein/Thierstein,
Das Brutgeschäft der gefiederten Freunde beginnt gut vier Wochen früher, Reduzierung des Vogelzuges, Verkürzung der Zugwege und Zugzeiten.
Wälder:
Die Baumartenzusammensetzung wird sich erheblich ändern. Die im Fichtelgebirge vorherrschende Fichte, die ein Jahresmittel von 5-8 Grad bevorzugt, wirdsich in die höheren Lagen zurückziehen.