Karl Paulus, 30 Jahre BN-Geschäftsführer
Seit 30 Jahren bestimmt er als Kreisgeschäftsführer des BN die Umweltarbeit im Fichtelgebirge maßgeblich mit. Mehr als 26 Jahre war er auch Geschäftsführer der Kreisgruppe Tirschenreuth.
Bei der Mitgliederversammlung des BN in Bernstein hielt Paulus eine bewegende Rückschau auf die ersten 25 Jahre seiner Arbeit beim Bund Naturschutz anhand nostalgisch anmutender Dias. Sein Rückblick beschreibt auch ein Stück Umweltbewegung und Naturschutzgeschichte im Fichtelgebirge, die er mitgestalten durfte.
Kampf gegen Waldsterben und Luftverschmutzung
Die umweltpolitischen Wurzeln von Paulus sind verankert in der Friedensbewegung anfang der 1980er Jahre, in der Anti-Atomkraftbewegung und im Kampf gegen Waldsterben und Luftverschmutzung in Nordostbayern in den 1980er Jahren. Die grenzüberschreitende Luftverschmutzung war seiner Zeit ein "existenzielles Problem"für unsere Region. Schwefelfrachten mit Spitzenwerten von bis zu zwei Milligramm Schwefeldioxid pro Kubikmeter Luft aus dem tschechischen Braunkohlekraftwerk Tisova und Mercaptane ("Katzendreckgestank") raubten der Region den Atem. Elterninitiativen entstanden (Nanne Wienands) und besorgte Ärzte (Dr. Rudolf Sies) gingen an die Öffentlichkeit. Immer wieder legte der BN den Finger in die Wunde und geißelte die "unmenschliche Luftverpestung". Der ehemalige Kreisvorsitzende Albrecht Schläger führte eine Vielzahl von Vorträgen und Waldbegehungen durch. Das Waldsterben war in aller Munde. Mit einer Reihe mächtiger Großkundgebungen gemeinsam mit dem FGV, wie am 2.Juli 1989 auf dem Seehaus, alarmierte der BN die Öffentlichkeit. "Umweltschutz muss uns allen wehtun", rief Hubert Weiger, der damalige Nordbayernbeauftragte des BN und heutiger Chef des BUND, in die Menge. Von unserer Region aus konnten bundespolitische Signale gesetzt werden. Mit der Großfeuerungsanlagenverordnung wurde endlich die Entschwefelung und Entstickung der Kohlekraftwerke eingeleitet. Die Menschen in der Region konnten wieder durchatmen. Die BN-Kreisgruppe führte gemeinsam mit dem Landesverband eine Vielzahl von Waldaktionen, Vorträgen und Pressekonferenzen durch. Im November 1991 veranstaltete der BN in Marktredwitz das Konzert "Woodrock", Rock gegen das Waldsterben. Zu allem Überfluss sollte damals auch noch eine Müllverbrennungsanlage in der Region gebaut werden. Mit spektakulären Kundgebungen zog der BN gegen die geplante MVA zu Felde, die entlang der A93 zwischen Marktredwitz und Rehau geplant war. Mit Erfolg!
Ende der Wasseraustreibung
Erste Aufgabe von Karl Paulus war damals die Erfassung schutzwürdiger Biotope im Landkreis Wunsiedel. So wurden der Quellsumpf Dörflas und die Orchideenwiese Oberweißenbach entdeckt, zwei besonders interessante Lebensräume, die der BN auch heute noch liebevoll pflegt. Doch diese beschauliche Arbeit wurde immer wieder von der rauen Wirklichkeit eingeholt. In Flurbereinigungs-Altverfahren wurden Mitte der 1980er Jahre noch umfangreiche Dränmaßnahmen durchgeführt. In Weißenstadt lieferte sich der BN heftige Auseinandersetzungen mit der Flurbereinigung. Gemeinsam mit dem Amtsnaturschutz konnten etwa 25 Hektar an schutzwürdigen Feuchtflächen noch gerettet werden. Ende der 1980er Jahre endete endlich die "Politik der Wasseraustreibung" aus der Landschaft im Fichtelgebirge. Es folgte der wohltuende Paradigmenwechsel der Wasserwirtschaft, hin zu Wasserrückhaltung und Renaturierung.
Arten- und Biotopschutz
Seit 1979 avancierte der Ankauf schutzwürdiger Biotope zum wichtigsten Instrument der Biotopsicherung. Bis heute hat die BN-Kreisgruppe insgesamt 34 Ankäufe schutzwürdiger Biotope durchgeführt. Bereits 1984 wurden die Egerteiche bei Markleuthen zu einem Kerngebiet des Arten- und Biotopschutzes gestaltet. Immer wieder führte die Kreisgruppe Biotopgestaltungsmaßnahmen durch, eine Vielzahl an Teichbiotopen und Tümpeln entstand ("Natur aus zweiter Hand").
Die BN-Kreisgruppe leistete Pionierarbeit in der Biotoppflege. Über einen Arbeitskreis "Arten- und Biotopschutz" entwickelte sich eine äußerst aktive Gruppe von engagierten Biotoppflegern, die wie Dieter Kammerer, Peter Weger, Beate Küspert und Michael Weger auch heute noch aktiv sind. Einige treue Aktivisten wie Heinz Zeitler, Willi Sommerer und Rudi Stangl sind leider viel zu früh verstorben. "Aber in unserem Herzen werden sie immer einen Platz haben", versicherte Karl Paulus. Wie ein roter Faden zog sich die Pflege von Biotopen durch die Rückschau. Der Einsatz für heimische Pflanzen- und Tierarten, für die Arten- und Schöpfungsvielfalt, heute Biodiversität genannt ist ein Kernanliegen des BN. "Wir sind der Anwalt der Natur und versuchen denen eine Stimme geben, die nicht zur Wahl gehen können".
Daueraufgabe Umweltbildung
Eine besondere Bedeutung nimmt auch die Umweltbildung ein, die Sensibilisierung der Menschen für Umweltfragen. Immer wieder Vorträge, Führungen, Exkursionen und Aktionen zu allen möglichen Umweltthemen. Paulus zeigte Dias von den ersten Amphibienaktionen mit Gert Kriglstein oder einer Exkursion in den Schirndinger Mühlwiesen 1985. Eine wichtige Wegmarke für Karl Paulus war der Erwerb des Anwesens Schlößlein1 bei Thierstein, das er in Eigenleistung liebevoll saniert hat.
Heute beherbergt es auch die Kreisgeschäftsstelle des Bundes Naturschutz. Seit 1988 führt der BN sein beliebtes Sommerfest durch. Paulus erinnerte anschöne Sommerfeste im romantischen Kastanienrund in Hohenberg. Seit 2002 findet das beliebte Familienfest im Schlosshof des Rohrerschen Rittergutes in Höchstädt statt.
Naturschutz ohne Grenzen
Mit großen Emotionen hat Paulus die Zusammenarbeit mit dem tschechischen Naturschutzverband CSOP Cheb erlebt. Das erste Treffen fand am 23.06.1990 in Waldsassen statt. In den 1990er Jahren entwickelte sich eine sehr herzliche, freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen BN und CSOP unter der Leitung von Detmar Jäger und Karl Paulus. Höhepunkte waren gemeinsame Kartierungen und Arbeitseinsätze im Grünen Band des bayerisch-böhmischen Grenzstreifens bei Hohenberg. "Wo einst Schüsse fielen, arbeiten deutsche und tschechische Naturschützer heute friedvoll zusammen", titelte die Frankenpost. Unvergessen ist ein gemeinsamer Arbeitseinsatz im Waldmoor Großwendern am 10.04.1999 mit 44 Teilnehmern.
Paulus erinnerte an viele "plakative BN-Aktionen", zum Beispiel die Aktion "Schneeberg Ruhezone" vom 1. Mai 1993, die Luftballon-Aktion im Dangesbachtal im Juli 1997 beim Bau der A93 oder die Aktion "gegen Gentechnik auf unseren Feldern" mit der "Monster-Gentomate" in Marktredwitz,ebenfalls 1997.
Aus der Region, für die Region"
Mit vier spektakulären Kampagnen "Unsere Region braucht Zukunft", "Heimatbier auf Tour", "Jetzt geht´s um die Wurst" und "Holzwege" von 1997 bis 2000 zeigte der BN auf, dass Naturschützer auch stets die Zukunft der Region im Blick haben. Regionalität schafft Arbeit und Ausbildung, gewährt Vertrauen und ist praktizierter Umweltschutz durch kurze Wege vom Erzeuger zum Verbraucher. Mit seinem neuen Projekt "Online-Einkaufsführer" knüpft der BN an diese Tradition wieder an.
Kristallisationspunkte des Naturschutzes
In den Jahren 2000 bis 2005 hat die Kreisgruppe mehrere großangelegte Naturschutzprojekte umgesetzt, so das Biotopverbundprojekt Thierstein mit Gestaltung des "Alten Teiches", die Biotopgestaltungsmaßnahme Neudeser Teich sowie das Projekt Fischern im Grünen Band des bayerisch-böhmischen Grenzstreifens. Die Projektgebiete sind Kristallisationspunkte des Natur- und Artenschutzes im Fichtelgebirge. Gefördert werden seltene Arten wie Fischotter, Eisvogel, Krickente, Schwarzstorch, Wasserralle, Weißstorch, Waldwasserläufer u.a.
Fichtelgebirgsautobahn
Mit dem Projekt "B 303neu", das heißt Fichtelgebirgsautobahn, musste sich Paulus exakt 25 Jahre auseinandersetzen. Es begann mit der Organisation einer Mahnfeuerkette am 1.11.1984, kulminierte in spektakulären Kundgebungen auf dem Waldstein 2001 bis 2009 und endete mit dem Aus durch Innenminister Herrmann am 30.03.2009. Der Redner erinnerte an zahlreiche Vorträge und Aktionen unter der Leitung von Fred Terporten-Löhner, seit 09.01.2001 Vorsitzender der BN-Kreisgruppe. "Ohne Fred Terporten-Löhner wäre ein erfolgreicher Widerstand gegen das Projekt, das den Naturpark Fichtelgebirge irreparabel geschädigt hätte, niemals möglich gewesen". Unvergessen sind die vielen Aktionen gemeinsam mit der großen BI unter der Führung von Fred Leidenberger und Sandra Krause.
Tier-Erlebnispark-Arche
Das wohl intensivste Projekt war mit 5.000 geleisteten Arbeitsstunden der "Tier-Erlebnispark-Arche" bei der grenzüberschreitenden Landesgartenschau Marktredwitz-Eger 2006. Mit dem Umweltbildungs-Projekt gemeinsam mit der Kreisgruppe Tirschenreuth hat der BN Tausende von Menschen bewegt. Unter der Leitung von Andrea Mack wurden mehr als 120 Bildungsveranstaltungen und Führungen durchgeführt.
Dank an Aktive
Karl Paulus bedankte sich bei allen Aktiven, Mitstreitern und Weggefährten ganz herzlich. "Gemeinsam konnten wir viel bewegen. Ohne unseren Einsatz sähe unser Fichtelgebirge viel ärmer aus". Besonders dankte er allen gewesenen und amtierenden Vorständen, Kreisvorsitzendem Fred Terporten-Löhner, seiner Stellvertreterin Inge Heinrich, Schatzmeister Dieter Kammerer und Webmaster Günther Heinrich für die "ehrliche und echt gute Zusammenarbeit zum wohle unserer Natur". Ad multos annos - noch viele Jahre!