"Herzstücke des Naturschutzes" - Einzigartig in Nordbayern, der Breite Teich bei Selb
Leuchtturmprojekt, der Breite Teich bei Selb
„Hier sind mehrere Wunder auf einmal passiert.“ Karl Paulus ist normalerweise kein Freund pathetischer Worte. Aber angesichts eines großen Geschenkes für die Natur mitten im Häusellohwald mündet die Begeisterung des langjährigen Kreisgeschäftsführers des Bundes Naturschutz (BN) in eigenes Engagement in einem Ausmaß, das der Unruheständler vor wenigen Monaten noch kaum für möglich gehalten hat. Mindestens 25 Mal hat er in den vergangenen Monaten am Breiten Teich geforscht und gearbeitet – um diese Perle im Selber Wald zu einem „Leuchtturmprojekt“ zu machen. Das stellte er nun bei einem Spaziergang entlang des Teiches interessierten Naturschützern vor.
Selber Naturfreund und sein großzügiges Erbe stellen die Weichen
Wie berichtet, hat ein Selber Naturfreund dem Verband ein hohes Erbe vermacht – mit der Auflage, das Geld in die Natur rund um seine Heimatstadt zu investieren. Die BN-Kreisgruppe griff umgehend zu und kaufte den Breiten Teich, nach dem Weißenstädter See das größte Gewässer im Landkreis – und ein ökologisch höchst wertvolles. „Dieser nährstoffarme Moorteich mit hochspezialisierten Arten ist in Nordbayern einzigartig“, betont Karl Paulus, „wegen seiner umfangreichen Verlandungszonen“, die am Nordufer wiederhergestellt werden müssen.
Das, was Karl Paulus Wunder nennt, hat viele Stunden Arbeit mit sich gebracht, vor Ort und im Büro. Zunächst ging es darum, in schwierigen Verhandlungen mit einer Erbengemeinschaft den 20 Hektar großen Teich zu erwerben. Auf diesem Gesprächsmarathon mit erfolgreichem Abschluss folgte harte Arbeit am Objekt. Denn schon bei den ersten Untersuchungen stellten die Naturschützer fest: Der Teich lässt Wasser ab.
Operation am offenen Herzen, die Sanierung des Mönchs
Es folgte am Ablauf, dem „Mönch“, eine „Operation am offenen Herzen“, wie Paulus betont. Mit Erfolg dichtete er gemeinsam mit Alfred Terporten-Löhner, dem Kreisvorsitzenden der Kreisgruppe Wunsiedel, das marode Bauwerk ab und schuf mit Hilfe eines kleinen Baggers einen neuen Ablauf. Der Pegel des nur aus dem umgebenden Moor gespeisten Teiches ist um rund 30 Zentimeter gestiegen. „Wasserrückhaltung ist das Gebot der Stunde“, erklärt der nun ehrenamtlich hoch engagierte Naturschützer – und veranschaulicht dies wenig später eindrucksvoll: Am Südufer hält er einen Klumpen aus Erde und Gras in die Luft und drückt ihn aus: Dieser torfartige Untergrund hat eine beträchtliche Menge an Wasser gespeichert.
Grenzübergreifende Moorkette Deutschland-Tschechien
Der kann nicht nur – wie in der gesamten Moorkette vom Wunsiedler Weiher bis nach Tschechien – seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, indem er Kohlendioxid speichert. Er ist auch Heimat zahlreicher seltener Pflanzen und Tiere. Während vor einigen Jahrzehnten am Nordufer des Breiten Teiches ein Damm gebaut und abgeholzt wurde, blieb die Natur gegenüber sich selbst überlassen. Hier wie dort müssen die Naturschützer eingreifen. „Wir werden im Herbst viele der hier gewachsenen Kiefern entfernen“, kündigt Karl Paulus an. „Auch die Rohrkolben, die sich hier am Ufer angesiedelt haben, gehören nicht hierher.“
Raritäten im unzugänglichen Ufer mit seinen Flachwasserzonen
Die wertvollsten Arten sind in einem ziemlich unzugänglichen Bereich im Südosten des Teiches zuhause. Zu ihnen gehören zwei Arten des Sonnentau, einer fleischfressenden Pflanze – und eine davon, der sogenannte mittlere Sonnentau, ist im Fichtelgebirge nur hier zu finden. In diesem Bereich wachsen auch seltene Moose. Jürgen Fischer, intimer Kenner der Insekten in Bayern und Autor eines Fachbuches zu diesem Thema, findet zwar die Vielfalt etwa von Libellen „noch nicht so prickelnd“, hat aber zwei Arten der Moosjungfer identifiziert, darunter eine sehr seltene. Und ein weiteres Tier, das vom Aussterben bedroht ist, soll sich am Breiten Teich wieder vermehren und wohlfühlen: der Moorfrosch, der im Landkreis nur noch an wenigen Stellen zu finden ist.
Das beliebte Naherholungsgebiet bleibt weiterhin zugänglich
„Dieser wertvolle Lebensraum erschließt sich hier nicht auf den ersten Blick“, sagt Karl Paulus. Vielleicht ist auch dies ein Grund dafür, dass manche Liebhaber des Breiten Teiches den Arbeiten des BN etwas skeptisch gegenüberstehen. Dies aber ist unbegründet. Paulus verspricht: „Naherholung ist hier weiter möglich. Die Badestellen bleiben erhalten – und der Pfad entlang des Westufers bleibt weiter allgemein zugänglich. Was natürlich „verboten gehört“: Es wurden Reiter beobachtet, die eigens angereist waren und mit ihren Pferden den Teich praktisch durchgepflügt haben.
Neue Naturschutzprojekte rund um Selb, dem großzügigen Erblasser sei Dank
Die Biotoppfleger werden im Herbst in enger Zusammenarbeit mit dem Forstbetrieb Selb am Breiten Teich arbeiten. Die Kiefern, die weichen sollen, sind bereits markiert. „Wir stehen vor einem heißen, das heißt arbeitsreichen Herbst“, kündigt Karl Paulus an. Dieses gefährdete Ökosystem zu stabilisieren ist eine von vielen Aufgaben rund um Selb, die er sich mit den Helfern vom Bund Naturschutz vorgenommen hat – dem großzügigen Erblasser sei Dank.